10.9.23 / TOCHIGI / UTSUNOMIYA

An einem sehr schwülen Sonntagmorgen marschieren wir zur Shinkansen Station Ueno, ein schweißtreibender Morgenspaziergang! Ueno ist, so lernen wir, die einzige tief im Keller des Bahnhofs errichtete Shinkansen Station, normalerweise sind sie an der Oberfläche angesiedelt. Skinkansen sind die japanischen Schnellzüge. Die Schnellzüge bremsen sich mit einem schrillen metallischen Geräusch ein, das den Ohren ziemlich zusetzt. Alle paar Minuten kommt ein Zug an. Zahlreiche JapanerInnen fahren täglich nach Tokyo zur Arbeit.

Heute geht’s einmal in die Präfektur Tochigi, von Tokyo Ueno mit dem Zug 50 Minuten. Von der Hauptstadt Utsunomiya fahren wir noch gut eine Stunde bis Mashoko, einem legendären Zentrum der Keramikherstellung. Mashokoware wird klassisch in den von den Mineralien der Gegend vorgegebenen Farbgebungen blau, elfenbein und dunkelgrün hergestellt. Durch Verwendung eines weißen oder schwarzen Tons kommt es zu einer weiteren Verfeinerung dieser Farbpalette. Unser Lieferant aus Mashoko ist Tsukamoto, gegründet 1864 und geadelt durch einen Besuch des Kaisers im 19. Jahrhundert. Noch heute kann man in einem kleinen Ryokan übernachten, dass auch schon dem Kaiser als Unterkunft gedient hat. Bei Tsukamoto wird noch alles händisch hergestellt, allerdings gibt es nach unserem Dafürhalten zu wenig Licht und auch die Durchlüftung könnte verbessert werden. Ein österreichischer Arbeitsinspektor würde wahrscheinlich die rote Karte zeigen, obwohl vieles modernisiert wurde. Die Brennöfen sind state of the art, man sieht zwar noch einen alten Kaskadenofen, aber der wird nur mehr als museales Stück erhalten.

Mashoko ist sehr bekannt für sein College für Keramik. Viele lassen sich nach der Ausbildung hier nieder und es gibt eine ganze Reihe von Galerien die Arbeiten dieser KünstlerInnen anbieten. Auch Tsukamoto arbeitet mit lokalen Künstlern zusammen, eigene Ausstellungen werden kuratiert. Bei einem Künstler, Takeshi Yoshida, kamen wir einfach nicht vorbei. Er verwendete für die gezeigten Arbeiten einen besonderen Ton mit Mangan- und Kupfer. Das gibt den Arbeiten eine in Grau- bis Goldtönen schimmernde Oberfläche. Diesen Effekt verstärkt er noch durch Aufrauen der Oberfläche und eine dadurch geförderte Oxidation. Takeshi, mit Künstlernamen Joe hat dann extra für uns sein Baseballmatch abgebrochen und kam dann noch etwas außer Atem zu uns und gab uns Einblick in seine Arbeit. Ein toller Künstler mit viel Humor. Wie z.B. seine Vasen der Ufo Serie oder seine Kronenserie.

Mashoko wählte auch Shoji Hamada als seine Wirkungsstätte. Shoji Hamada, Yanagi Sōetsu und Kawai Kanjirō gelten als Gründerväter der Mingei Bewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, japanische traditionelle Handwerkskunst wiederzubeleben. Ein Art Freilichtmuseum, bestehend aus Gebäuden, die Shoji in den 30iger Jahren sammelte und hier wieder errichten ließ, wurde damals zu einem Zentrum der Bewegung. Im Mittelpunkt der Kaskadenbrennofen mit 8 Kammern, die einen Hügel hinauf hintereinander angelegt wurden und von ganz unten befeuert wurden. In den letzten Jahren wurde der Ofen wiederhergestellt und mehrmals befeuert. Dafür kamen bedeutende Keramiker aus ganz Japan zusammen. Shoji Hamada liebte aber auch seinen Eames Chair, der noch heute bewundert werden kann und in seiner Sammlung findet sich auch ein mit Perlen verzierter Dreibeiner aus Kenia der in seiner ursprünglich äthiopischen Form auch schon Adolf Loos als Vorbild für seine Dreibeiner gedient hat (wobei ihn Adolf Loos als ägyptischen Stuhl bezeichnet hatte). Für uns ist immer wieder auffällig, wie stark die Jugendstilarchitekten und die nächste Generation von Japan beeinflusst waren. Und damit kommen wir schon zum nächsten Punkt.

1873, bei der Weltausstellung in Wien, beteiligte Japan sich mit einem eigenen Pavillon. Aus jeder Präfektur wurden herausragende Kulturgüter ausgewählt, die in Wien gezeigt wurden. Bambusflechten hatte sich damals schon vor allem durch das Wirken von Lizuka Hosai I, der nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch ein begnadeter Verkäufer gewesen sein soll, zu einer anerkannten Kunst entwickelt und wurde in Wien vorgestellt und bewundert.

Wir hatten das Glück, Takehiko Sagawa besuchen zu können. Seine Eltern waren die engsten Weggefährten von Yagisawa Keizo, der 2006, kurz vor seiner Ernennung zum living national treasure verstorben ist. Sie alle wurden an der berühmten Beppo Schule in Kyushu ausgebildet, waren später gemeinsam am Aufbau des Kunsthandwerks für die japanische Entwicklungshilfe auf den Philippinen engagiert und zählen heute zu den ganz großen Meistern ihres Fachs. Takehiko ließ es sich nicht nehmen, uns den ganzen Werdegang vom Bambusrohr bis zum Korb zu zeigen und wir haben nun Videoaufnahmen, die wir für die Ausstellung, die wir im Herbst 2024 planen, verwenden können. Er flechtete vor unseren Augen eine perfekte kleine Schale im Hanfmuster, die er uns am Schluss als Geschenk überreicht hat. Wir haben ihn eingeladen, für uns zwei offene Interpretationen zum Thema Bambuskorb zu entwickeln, die wir dann nächstes Jahr bei unserer Ausstellung erstmals zeigen wollen. Takehiko war sehr erfreut und so warten wir jetzt gespannt auf die ersten Entwürfe.

Utsunomiya ist die Stadt, in die vor einigen Jahrhundert ein Japaner, der China bereist hatte, Gyozas, quasi die chinesischen Ravioli, eingeführt hat. Bis heute ist Utsunomiya berühmt für seine Gyozas und so haben wir den Abend mit diesen unfassbar guten Gyozas beendet. Auf keinen Fall verpassen, wenn man in die Region kommt!

 

 

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