13.9.23 / SAKUNAMI

In der Region um Sakunami gibt es 3 renommierte Kokeshihersteller. Die Familie Hiraga erzeugt nun in der 8ten Generation diese Puppen und der kleine Sohn hat gerade seine ersten Bemalungen versucht. Schaut also so aus, als wenn es auch eine 9te Generation geben könnte. Sakunami Stil bedeutet, dass die Körper sehr schlank im Vergleich zu den Köpfen sind, entweder zylindrisch geschnitten von oben bis unten oder mit einer Art Taillierung.

Typisch für Hirada ist das Krabbenmuster, gleich neben seinem Haus im Fluß leben Regenbogenforellen aber eben auch Krabben. Hiraga erkärt uns, dass es zeitweise ein Mißverständnis bezüglich der Bedeutung von Kokeshis gab, da das Wort Ko Kind und Keshi Tod oder Verschwinden bedeutet, aber das hat mit der Bedeutung von Kokeshis rein gar nichts zu tun. Sie sollen einfach Freude machen und Freude ist ein Wegbereiter des Glücks.

An der Wand finden wir eine vergilbte Tafel mit den 10 Regeln, die der Großvater aufgeschrieben hat. Wir haben unsere Begleiterin gebeten sie zu übersetzen und sie bedeuten:

1. Holztrocknung (entrinde das Holz und trockne es für 6 bis 12 Monate)

2. Schneide das Holz in die gewünschten Längen

3. Entferne alle unnötigen Teile

4. Drechsle die Grundform für Kopf und Körper

5. Drechsle den Kopf auf der Drechselbank

6. Drechsle den Körper auf der Drechselbank

7. Schleife alle Teil mit Schleifpapier

8. Presse den Kopf in den Körper

9. Male die Puppe

10.Wachse die Puppe und poliere sie

Nicht wirklich überraschend, Geheimnisse werden auf diese Weise sicher nicht preisgegeben, die Tafel hängt ja auch mitten im Verkaufsraum. Andreas, der für uns die detaillierte Recherche gemacht hat sagt uns und wohl zurecht, das Geheimnis ist nicht der Arbeitsablauf, sondern die Präzision, mit der ohne eingespanntes Werkzeug gedrechselt wird und die Puppen ohne Schablonen oder andere Hilfsmittel bemalt werden. Jeder Strich sitzt, jede Drechselbewegung ist präzise und passt sich der Härte der Holzart an. Schaut ganz einfach aus, dauert aber sicher viele Jahre, bis alles so präzise läuft.

Für den Togata Stil besuchen wir Noboru Wagatsuma. Ein Multitalent, der auch als R&B Sänger auftritt. Sein Vater betreibt eine Tischlerei, verkauft aber auch Tischlereimaschinen. So bekam er schon früh mit wie unterschiedlich Holzarten sind. Er verwendet gerne rare Holzsorten wie japanischer Pagodenbaum oder Kamelie für seine Arbeiten. Vor kurzem hat ihn jemand gebeten einen Tisch mit Laden aus dem Pagodenbaum zu fertigen, für ihn einmal eine erfreuliche Abwechslung. Mit seinem Vater hat er immer wieder Kokeshimacher, die dessen Kunden waren, besucht und so wuchs das Interesse für diese Puppen. Er ist wahrscheinlich der bekannteste Vertreter in der Region und seine Puppen sind sehr begehrt. Bei unserem Besuch war er bis auf 2 kreative Kokeshis ausverkauft. Markenzeichen sind seine Babykokeshis im Bambuskorb. Das ist ein Motiv, dass auf die Tradition zurückgeht, Babys bei der Feldarbeit mitzunehmen und im Bambuskorb am Rand des Feldes mitzuhaben.

Wir hatten unsere BegleiterInnen ersucht, uns auch einen Termin bei Naoki Sakai zu vermitteln. Er ist Professor an der Tohoku Universität für Kunst und Design in Yamagata. Gestern Abend erhielten wir dann die Nachricht, dass uns Prof. Sakai in der Früh im Hotel besuchen wird. Yamagata ist ca. 80 km entfernt und so waren wir sehr positiv überrascht von diesem Angebot. Um 10 Uhr steckten unsere BegleiterInnen noch im Verkehr, daher der allererste Versuch nur mit 2 Smartphones mittels Übersetzerfunktion mit Herrn Sakai zu kommunizieren. Nicht ganz einfach, aber man kommt sich auch wenn es nicht perfekt funktioniert gleich einmal näher, lacht gemeinsam über die holprige Methode aber kommt doch viel weiter als mit Zeichensprache.

Seine Arbeiten sind außergewöhnlich, 10 Jahre lang arbeitete er als Assistent von Mamoru Nakagawa, einem der ganz wenigen Künstler, die den Titel living cultural treasure tragen dürfen. Naokis Motto lautet Menschen wollen nicht ganz einfach Gegenstände verwenden, die nur ihren Zweck erfüllen sondern sie wollen sich auch an ihrer Ästhetik erfreuen, ein Glücksgefühl genießen. Er stellt sich der großen künstlerische Herausforderung Dinge zu erschaffen, die diese Harmonie zwischen Gegenstand und Benutzer erfüllen können. Das Privileg des Herstellers sieht er darin diesen Gegenständen eine Art Seele einzuhauchen, ihnen ein Wesen zu geben, erst das katalysiert diese Interaktion, die man als Harmonie erleben kann. Irgendwie erinnert das an die Geschichte von Pinocchio, oder nicht?

Naoki Sakai hat letztes Jahr für uns eine Serie von 7 Teekannen geschaffen, für eine Ausstellung in Berlin hat er einen eigenen Raum für Teezeremonien entworfen. Mit seinen Arbeiten kann er sicher dazu beitragen, dass die Teezeremonie dieser magische Moment wird, bei dem alles stimmig wird. Naokis Formensprache ist sehr klar und von jedem seiner Kreationen geht eine Faszination aus, man beginnt fast automatisch mit den „Seelen“ der Dinge zu kommunizieren. Nach unserem Morgengespräch hat uns Naoki in sein Atelier eingeladen, das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und so haben wir ihn am Nachmittag außerplanmäßig besucht.

Die runde Form der Teekanne wird aus einem rechteckigen Stück Stahl in einer traditionellen Hammertechnik auf einem leicht bombierten Amboss erarbeitet. Die Schlagfläche des Hammers ist nicht glatt, sondern rauh, die dadurch erzeugten Einschläge prägen den Charakter der Arbeit. Alle anderen Rundteile werden dann mit Argon Schutzgasschweißung eingeschweißt und die Schweißnähte danach sorgfältigst verschliffen. Eine bei uns völlig unbekannte Methode der Oberflächenversiegelung ist das Einbrennen von Urushilack. Auch wir kennen Einbrennlackierungen aber nicht mit einem Naturlack, wie dem Alleskönner Urushi. Jede Lackschicht wird bei 300°C eingebrannt, nach 3 Schichten hat man eine Oberfläche erzielt, die ewig halten sollte. Aus Ausgrabungen kennt man Lackierungen die schon 9000 Jahre alt sind.

Seine neuesten Kreationen sind Metallboxen mit Einlegearbeiten aus Silber. Auch hier kommt wieder Urushi zur Veredelung der Oberfläche zum Einsatz. Wir hoffen nächstes Jahr ein paar dieser Kunstwerke präsentieren zu können.

Lore: „Kein Wunder, dass Du als Metallurge so begeistert bist!“

Bin ich auch, jetzt träume ich nur noch davon, einmal bei einer traditionellen Schwertschmiedezeremonie dabei sein zu dürfen. Ein sehr guter Freund hat das einmal erleben dürfen, aber es ist ein wirklich ganz außerordentliches Privileg an dieser sonst nur für wenige Gildenmitglieder offenen Zeremonie teilnehmen zu dürfen.

Jetzt noch schnell den Reiseplan für morgen festgelegt, dann geht´s an den Laptop Emails beantworten.

 

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